Beim Blättern durch meine Bibliothek fiel mir auf, dass ich Religion ohne Gnade von Will Cook aus irgendwelchen Gründen schon ewig besitze und noch nie gelesen hatte – höchste Zeit, das zu ändern. Viel erwartete ich nicht, handelt es sich doch scheinbar um ein selbstverlegtes Buch, das ich höchstwahrscheinlich irgendwann einmal gratis bei Amazon abgegriffen hatte. Meinen Befürchtungen zum Trotz ist Religion ohne Gnade aber ganz gut lesbar, wenn auch öfter mal Tippfehler und falsche Worttrennungen ins Auge fallen.
Der Autor erzählt eine „Lebens- und Leidensgeschichte“ über seine Zeit mit den Zeugen Jehovas (und darüber hinaus). Wer jetzt sensationsheischende Berichterstattung erwartet, liegt falsch – Will Cook bleibt immer sehr realitätsnah in seinen Schilderungen, ich hatte nie das Gefühl, dass Dinge übertrieben ausgeschmückt wurden.
Dass die Geschichte kein gutes Ende findet, erfährt man schon auf den ersten Seiten. Bevor der Autor über das Zusammenleben und den Alltag mit seiner Familie erzählt, erwähnt er bereits seine abschließende Loslösung von den Zeugen und dass diese seine Familie zerstört hätten. Obwohl das im Nachhinein betrachtet auch nicht gelogen ist, hätte ich nach dieser Einleitung viel mehr Unglaubliches erwartet, als es dann am Ende gibt – es ist klar, dass Will Cook als Betroffener alles viel eindrücklicher und schrecklicher erlebt als jeder Außenstehende. Dummerweise läuft es für mich aber darauf hinaus, dass Mr Cook sich auch einfach mal viel früher über die Methoden einer Sekte kundig hätte machen können.
Sein eigentliches Problem schien mir sogar weniger die Sekte an sich zu sein als vielmehr seine Frau, die das perfekte Opfer für psychische Manipulation ist. Dementsprechend bricht dann am Ende auch die Familie auseinander, woran Mr Cook auch mit Unterstützung der Wachtturmgesellschaft nichts hätte ändern können. Dass es von dieser Seite keinerlei Unterstützung gab – geschenkt. Aber wie gesagt, geändert hätte das meiner Meinung nach nichts an der Situation.
Der Leser bekommt einige Einblicke in die Strukturen der Zeugen Jehovas, aber insgesamt gab es für mich wenig neue Erkenntnisse. Heutzutage wird meines Wissens in jeder Schule erklärt, wie Sekten funktionieren – dass der Autor am Ende so überrascht darüber war, ist für mich einfach unfassbar naiv.
Fazit
Man kann Religion ohne Gnade lesen, muss man aber nicht. Wie bei selbstverlegten Büchern ja fast schon typisch gibt es einige Tippfehler, aber sie nehmen nicht überhand. Wahrscheinlich hätte man den ganzen Text auch um ein Drittel kürzen können ohne etwas von der Geschichte zu verpassen. Wer generell weiß, wie Sekten funktionieren (können), erfährt nicht allzuviel Neues. Es tut mir ehrlich leid, dass Will Cook das alles zugestoßen ist, aber dem Buch an sich kann ich leider nur eine mittelmäßige Leseempfehlung aussprechen.
Ich find Sekten ja äußerst interessant. Nicht so, dass ich da beitreten möchte, um Gottes Willen, aber die Praktiken und alles und wie die Menschen tatsächlich dazu kriegen bei denen mitzumachen, das find ich mega interessant.
Nach dem Review hab ich schon Lust auf das Buch bekommen, bin aber nicht so ganz sicher, weil du eben auch schreibst, dass man nicht wirklich was neues und so erfährt. Aber vielleicht führe ich mir das beizeiten mal zu Gemüte.
Sehr schön informatives Review! =)
Über den Beitritt erfährt man auch eher wenig und in größeren Abständen – zu Buchbeginn ist der Autor schon Mitglied der Zeugen. Ich würde in deinem Fall wahrscheinlich eher ein Sachbuch empfehlen, dieses hier ist auch viel zu lang und persönlich als dass man es ernsthaft als Informationsgrundlage verwenden könnte. Es geht vor allem um den speziellen Fall des Autors.
Vielleicht stoße ich ja irgendwann auf etwas mit mehr Informationsgehalt, das sich wirklich zu lesen lohnt. Dann sag ich dir Bescheid. 🙂