Death Stranding

Es gab eine große Diskussion bei uns Zuhause – mein Freund vertrat die Meinung, Death Stranding sehe unfassbar langweilig aus und es würde ihm keine fünf Minuten lang Spaß machen. „Bin ich der DHL-Mann oder was?“, sagte er. Ich vertrat die Meinung, Death Stranding sehe total interessant aus und ich wollte es unheimlich gern spielen. Kurz darauf fand ich das Spiel dann auch schon unter dem Weihnachtsbaum – obwohl er mein Interesse nicht teilen konnte, wollte mein Herzmann mir trotzdem eine weihnachtliche Freude machen.

Begrüßt wurde ich im Spiel sofort von der ersten Cutscene – ich spielte Sam Porter, einen Boten in einer postapokalyptischen Welt. So weit, so DHL. Aber wieso eigentlich postapokalyptisch? Keine Ahnung, irgendwas ist passiert, das die (verbliebene) Menschheit als „gestrandeten Tod“ bezeichnet. Seitdem sind die Welten der Lebenden und der Toten nicht mehr sauber getrennt und es kommt zu schlimmen Vorfällen mit gestrandeten Dingen… Ähm… Okay, ich versuche gar nicht erst, die Geschichte groß zu erklären, das Spoilerrisiko wäre sowieso viel zu hoch. Aber sie hat großen Spaß gemacht und mich über die gesamte Länge von über 50 Stunden zum Weiterspielen motiviert. Nur so viel: als Sam Porter werde ich von der Präsidentin dessen, was von Amerika übrig ist, dazu verdonnert, die paar verstreuten Städte, in denen noch Menschen leben, wieder mit einer Art „besserem Internet“ zu verbinden, weil gemeinsames Überleben halt besser und einfacher ist als alles allein zu machen.

Vom ersten Moment an herausragend sind die Darsteller des Spiels, sowohl die genialen Schauspieler als auch die Spielwelt an sich. Die Technik ist beeindruckend. Bisher habe ich kein Spiel gesehen, das durch Motion Capturing so gut Emotionen vermitteln konnte. Aber auch die Landschaft sieht verboten gut aus und vermittelt eine wunderbar einsam-melancholische Stimmung. Trotzdem nahm das Gefühl der Einsamkeit bei mir nie überhand, nach einer Weile muss ich als Bote ja zwangsläufig wieder mit anderen Bewohnern der Welt interagieren, auch wenn dies meist in Form von Hologrammen geschieht. Hat für mich super funktioniert – so bleibt der richtige, direkt Kontakt zu Menschen fast komplett aus und löst das Gefühl der Einsamkeit nie vollständig.

Meistens kommuniziert Sam nur mit Hologrammen anderer Menschen.

Ein weiteres Element gegen die Einsamkeit ist die soziale Komponente via Internet – Sam ist nämlich mit der Zeit in der Lage, verschiedene Helferlein zu benutzen. Anfangs stehen ihm nur Leitern und Seile zur Verfügung, später dann Fahrzeuge und noch komplexere Dinge. Und alle diese Dinge, die mein Sam platziert, können in den Spielwelten anderer Spieler auftauchen. Natürlich tauchen in meinem Spiel dann im Gegenzug Dinge von anderen Spielern auf. Wie oft war ich dankbar, dass ich nicht selbst ein neues Fahrzeug bauen musste, sondern schon ein Truck von jemand anderem an genau der Stelle stand, an der ich einen brauchte! Auch wenn man nie einen anderen Spieler zu Gesicht bekommt, unterstützen sich auf diese Art doch alle gegenseitig. Eine super durchdachte Funktion!

Weniger durchdacht wirken da die Menüs, mit denen ich mich in meinem Botenleben ständig herumschlagen muss. Der Großteil des Gameplays besteht darin, Pakete von A nach B zu bringen und während des Transports nicht durch die Beschaffenheit der Spielwelt aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. Das klingt einfacher, als es am Ende ist, und das beginnt leider bei jeder Aufgabe schon mit den Menüs, über die ich Sam die Ladung auf seine Schultern (und Beine und Rücken und Oberarme…) verteilen muss. Die sind unglaublich nervig und unpraktisch. Es gibt mehrere fast identische Menüs, die sich nur minimal unterscheiden und die man leicht in ein einziges hätte zusammenfassen können, ohne jedes Mal via Kreistaste zum übergeordneten Menü zurück zu müssen. Im Gegenzug dazu ist es leider nicht einmal möglich, einzelne Frachtstücke an bestimmte Orte auf Sams Rücken zu verschieben, obwohl manche Dinge beispielsweise nur waagerecht transportiert werden dürfen, da sie sonst ständig Schaden nehmen. Wo da die Logik ist, erschließt sich mir nicht. Außerdem kämpft man mit steigender Spielzeit gegen kleine Mini-Cutscenes, die jedes Mal spielen, wenn Sam irgendwo seine Fracht abgibt oder erhält. Oder sich ausruht. Diese Animationen dauern nur 3-5 Sekunden, aber sie NERVEN ohne Ende. Es gibt auch keine Taste zum Überspringen, stattdessen brauche ich dafür drei Tastendrücke. Für JEDE Animation. Davon kommen manchmal drei hintereinander. Soooo ätzend.

Mit fortschreitender Geschichte erscheinen auch die Bauten anderer Spieler im eigenen Spiel.

Später im Spielverlauf hat Sam zwar Zugriff auf verschiedene Waffen, aber ich persönlich habe lieber ohne gespielt (und auf höchstem Schwierigkeitsgrad), wenn ich es vermeiden konnte. Passt meiner Meinung nach viel besser zur Welt; Sam ist kein Revolverheld, der alles über den Haufen schießt. Außerdem nahmen mir die Waffen zu viel Platz weg, den ich lieber mit Fracht oder wirklich Nützlichem füllen wollte. Bis auf wenige Aufgaben braucht man die Waffen eh nicht wirklich, der wahre „Feind“ ist die Umwelt, durch die man sich hindurchbewegt. Dieser Moment, in dem ich den anfangs unüberwindbar scheinenden Berg bezwungen habe – was fühlte ich mich wie ein Meister! Denn es gibt keine Routen und keine Wege, anfangs auch keinerlei Hilfsmittel von anderen Spielern (die erscheinen erst, wenn man das jeweilige Gebiet wieder ans „Netz“ angeschlossen hat) – alle Lieferungen in unbekanntes Gebiet musste ich mir erkämpfen. Und das war unheimlich befriedigend.

Sogar die „gestrandeten Dinge“ (die den meisten schon aus den Trailern bekannt sein sollten) haben mir anfangs richtig Angst gemacht, im Gegensatz zu so vielen „richtigen“ Horror-Spielen. Schon allein aus dem Grund, dass ich keinen Schimmer hatte, was das für Teile sind, wie ich mich verhalten muss, was ich tun kann… Dieses Gefühl löst sich zwar unweigerlich spätestens in der zweiten Spielhälfte auf, sobald man eine Taktik gefunden hat, die immer funktioniert (und davon gibt es gleich mehrere), aber bis dahin habe ich diese Angst genossen, weil ich sie viel zu selten erlebe.

Das hat mich am Ende schon einiges an Lebenszeit gekostet… *hust*

Aber lassen wir diese ganzen Kontras außen vor – Death Stranding ist für mich ein Meisterwerk. Wenn ich mit meiner Fracht und der Umwelt kämpfe, mich gegen den Wind stemme, mich frage, ob ich noch genügend Ausdauer für den langen Aufstieg auf diesen riesigen Berg habe und was mich auf der anderen Seite erwartet, wenn ich darüber fluche, dass ich eine Sekunde lang unaufmerksam war und meine gesamte Fracht deshalb jetzt vom Fluss davongetragen wird, die Dankbarkeit, wenn ich gerade kein Kletterseil mehr übrig habe, aber glücklicherweise jemand anders an genau dieser Stelle vor Kurzem eins platziert hat, das ich jetzt benutzen kann – all das sind Momente, an die ich mich noch lange erinnern werde. Die meisten davon haben noch nicht einmal mit der eigentlichen Story zu tun, sie passierten mir einfach auf meinen vielen Wegen zwischendrin und oft unerwartet.

Fazit

Leute, ich liebe Death Stranding. Es macht so vieles neu und richtig, hat eine wunderbare Atmosphäre, einen tollen Soundtrack und super Schauspieler. Und erst die Landschaft! Ich habe freiwillig das Doppelte an Zeit investiert, die ich für das reine Durchspielen gebraucht hätte, weil ich alles sehen und erleben und die Platin-Trophäe haben wollte. Und ich bin nach diesen über 100 Stunden immer noch traurig, dass ich jetzt alles gesehen habe und es zu Ende ist.

Ob es etwas für euch ist – keine Ahnung, das müsst ihr selbst entscheiden. Viele finden es nur langweilig. Ich finde es mega.

Bilder gemacht von mir, Rechte liegen bei Kojima Productions

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2 Gedanken zu „Death Stranding

  1. Und ich habe meine Meinung ja mittlerweile auch schon insofern geändert, dass ich mir das Spiel auf jeden Fall auch mal selber angucken werde um mir ein Bild davon zu machen. Da es dich so sehr gefesselt hat, bin ich schon neugieriger geworden. Sobald das Spiel wieder zurück bei uns ist, versuche ich mich mal daran! Bei dir sah es nämlich stellenweise schon echt cool aus!

  2. Wie lange habe ich das Teil von euch gespielt? Zwei Stunden? Dann hat mich verdammt schnell der Reiz verlassen. Dabei war ich anfangs noch soo angetan davon, mal etwas ganz anderes zu spielen, vor allem meinen eigenen kleinen Daryl Dixon steuern zu können (mein Highlight war der Aufenthalt in seiner Dus– äähh in seinem Zimmer). 😀 Na ja, vielleicht versuche ich es irgendwann nochmal (oder schaue mir ein Let’s Play an), aber diese trostlose Welt war mir echt zu… trostlos.

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